Gibt es Gott? Auf diese Frage kennt jeder Christ, erleuchtet durch das Licht des Glaubens, natürlich die Antwort: Ja! Aber wie steht es um die, die (noch) nicht glauben? Können sie durch gründliches, vernünftiges Nachdenken einsehen, dass es Gott, sprich: einen allmächtigen, vollkommenen, transzendenten Schöpfer, geben muss? In der Moderne dominiert die Antwort: Nein, die Existenz Gottes lasse sich nicht mit den Mitteln der natürlichen Vernunft erkennen. Besonders wirkmächtig ist diese Ansicht durch die Philosophie Immanuel Kants geworden. Dass man im Zeitalter „nach Kant“ Gottes Existenz nicht beweisen könne, ist geradezu zu einem säkularen Dogma geworden.
Der 800. Geburtstag des heiligen Thomas von Aquin ist eine gute Gelegenheit, dieses „kantianische Dogma“ auf den Prüfstand zu stellen. In dem gerade erschienenen Buch „Serpentinen. Die Gottesbeweise des Thomas von Aquin nach dem Zeitalter der Aufklärung“ geht es darum, die berühmten „fünf Wege“ des Thomas zu verteidigen. Die These: Gottes Existenz lässt sich mit Thomas sehr wohl argumentativ begründen, ja im philosophischen Sinne beweisen.
Das Buch will zum einen eine verständliche Darstellung der thomanischen Gottesbeweise sein. Zum anderen soll auch das heute allseits verbreitete Bild vom „dunklen Mittelalter“ korrigiert werden. Das Mittelalter war ein Jahrtausend voller echtem Fortschritt, und zwar in der Wissenschaft, der Moral, der Gesellschaft, der Architektur, der Technik und vielen weiteren Gebieten. Besser sollte man vom doppelt hellen Mittelalter sprechen: erleuchtet vom Licht der Vernunft und des Glaubens!
Zu diesem Buch, genauer zum Verhältnis von Thomas und Kant in Sachen „Gottesbeweise“, sollte ich eigentlich am vergangenen Donnerstag an der jesuitischen Hochschule für Philosophie in München sprechen. Doch man lud mich erst ein und dann wieder aus: Studenten hatten sich an mir und meinen außerakademischen Publikationen gestört. Die Hochschulleitung knickte ein und sagte den Vortrag ab. Was an Unsäglichem ich genau gesagt oder getan haben soll, dass ich nicht über den heiligen Thomas sprechen sollen dürfte, habe ich bis heute – und auch auf Nachfrage – nicht erfahren.
