Das Stufengebet ist jenes Gebet, das der Priester gemeinsam mit den Ministranten zu Beginn der Heiligen Messe an den Stufen des Altares verrichtet. Es hat eine dialogische Struktur, das heißt, es wird im Wechsel zwischen Priester und Ministranten gesprochen. Es dient als Vorbereitung und Fürbitte, bevor die Messe beginnt und der Priester die Stufen zum Altar hinaufsteigt.
Das Confiteor: Das Schuldbekenntnis
Das Confiteor, das Schuldbekenntnis, bildet den zentralen Teil des Stufengebets. Der Priester tritt als unvollkommener Mensch vor den Altar und wartet auf die Fürbitten der Gemeinde, die ihm gleichsam den Mut zusprechen, bevor er in persona Christi am Altar unter dem Kreuz das ewige Messopfer vollzieht. Die dialogische Form dieses Gebets, das vor oder während der Messe – also vor der Kommunionausteilung – gesprochen wird, leitet sich aus dem Stundengebet der Mönche ab, das traditionell zwischen zwei Nachbarn im Chorgestühl ausgetauscht wurde. Da die meisten Sünden gegen Gott auch Sünden gegen den Nächsten sind, ist es sinnvoll und passend, diese gegenüber dem Nächsten zu bekennen, auf dessen Fürsprache zu vertrauen und Gottes Erbarmen für den anderen zu erflehen.
Historische Entwicklung: Von der Prostratio zum Confiteor
In den ersten christlichen Jahrhunderten begann jede Messe mit der Prostratio, bei der sich der Priester ausgestreckt auf den Boden legte – eine eindrucksvolle Geste der Demut und völligen Hingabe. Diese Verehrung war in vorchristlicher Zeit orientalischen Königen vorbehalten, und genau diese innere Haltung, die durch das Niederwerfen ausgedrückt wird, sollte auch Gott, dem König aller Könige, entgegengebracht werden.
Während der Prostratio wurde zunächst nicht gesprochen. Im 8. Jahrhundert begann man jedoch, das Schuldbekenntnis zu beten, und das Niederstrecken wandelte sich im Laufe der Zeit in eine tiefe Verneigung, wie wir sie heute in der traditionellen Messe noch sehen können.
Die Bedeutung der Reihenfolge im Confiteor
Das Confiteor folgt einer klaren Struktur, insbesondere in der Reihenfolge, in der Engel und Heilige um Fürsprache angerufen werden. Man könnte diese Reihenfolge als bloße Aufzählung der bedeutendsten Engel und Heiligen betrachten, doch in der alten Messe hat jede Handlung eine tiefere Bedeutung. Nichts ist willkürlich oder bedeutungslos. Im Folgenden wird die Reihenfolge und ihre Aussagekraft erläutert:
1. Beatae Mariae semper Virgini (der allerseligsten Jungfrau Maria)
Die Aufzählung beginnt mit der Jungfrau Maria, die das Urbild des von Gott gedachten Menschen verkörpert. Unversehrt durch die Erbsünde, ist sie der Prototyp des perfekten Menschen. Durch sie fließt ein nie abreißender Gnadenstrom, den sie mit allen Menschen teilen möchte. Als Sünder sollen wir wie Maria werden: Nach jeder Beichte kehren wir in einen „marianischen Zustand“ zurück.
2. Beato Michaeli Archangelo (dem Erzengel Michael)
Der Erzengel Michael bekämpft den Ursprung der Sünde, Satan, und damit die Auflehnung gegen die göttliche Ordnung, die jeder Sünde zugrunde liegt. Er erinnert uns daran, dass er den Teufel besiegt hat und stärker ist als dieser. Zwar kann der Teufel einzelne Seelen versuchen, doch die Herrschaft über Gottes Schöpfung wird er nie erlangen. Im Confiteor erkennt der Sünder durch den Blick auf Michael die Herkunft seiner Sünde und zugleich die Ohnmacht des Bösen vor der Herrlichkeit Gottes.
Die Frage stellt sich: Bereuen wir unsere Sünden, weil wir Gott beleidigt haben, oder nur, weil wir von uns selbst enttäuscht sind, da wir unsere Vorsätze nicht einhalten konnten? Dies markiert einen entscheidenden Unterschied.
3. Beato Joanni Baptistae (dem heiligen Johannes dem Täufer)
Johannes der Täufer zeigt den Weg der Umkehr, der notwendig ist, um zu Gott zurückzukehren. Das Taufwasser soll nicht nur körperlichen, sondern auch seelischen Schmutz wegspülen. Die Taufe ist das grundlegende Sakrament der Sündenvergebung und markiert den Beginn des Weges der Erlösung.
4. Sanctis Apostolis Petro (dem heiligen Apostel Petrus)
Petrus, der die Schlüssel der Kirche trägt, verkörpert die Lösegewalt der Kirche. Er gibt dem Sünder, der umkehren will, die Gewissheit, dass ihm Vergebung zuteilwird. Anders als Judas bereute Petrus seine Sünden aufrichtig und mit großem Schmerz, und Christus vergab ihm. Es heißt, Petrus habe sein Leben lang geweint, wenn er einen Hahn krähen hörte. Petrus steht somit für den sündenvergebenden Christus.
5. Et Paulo (und Paulus)
Paulus lehrt uns die Bedingung der Sündenvergebung: den Glauben des Sünders, dass Christus ihn von seiner Unordnung heilt. Der Glaube ist ein Geschenk der Gnade und der Beginn der Wiederherstellung, die uns in den Zustand zurückführt, für den der Mensch geschaffen wurde. Damit schließt sich der Kreis des Confiteorssinnvoll, indem wir wieder zu Maria zurückkehren.
Die Reihenfolge im Confiteor spiegelt eine klare Hierarchie wider, die das katholische Verständnis des mystischen Leibes Christi widerspiegelt. Jeder Heilige hat einen sinnvollen Platz in dieser Ordnung, und durch die Liebe der Teile zueinander entstehen ihre unterschiedlichen Identitäten. Es ist beeindruckend, wie viel Tiefe ein so kurzes Gebet birgt – eine Tiefe, die bei jeder traditionellen Messe erfahrbar wird.